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Als Post OP Granny-Nanny in Auckland

Neuseeland während dem Lockdown – Gastbeitrag von Viktoria

„Der kürzeste Weg zu sich selbst, führt einmal um die Welt.“

Mit diesem Zitat ermögliche ich mir meine Reise, bereits 11 Monate bin ich mit meinem 11 Kilogramm schweren Rucksack unterwegs (Stand April 2020).
Anfang Dezember 2019 bin ich von Santiago de Chile über den Pazifik, nach Auckland – Neuseeland gereist.

 

 

Meine Reise durch Neuseeland

Neuseeland habe ich mit meinem in Auckland gekauften Camper Van – (Ich habe ihn liebevoll – Johnny getauft) für mehrere Monate erobert. Mein Alltag in Neuseeland war sehr einfach gestrickt.
Manchmal habe ich mein Surfbrett vom Dach geholt, und bin auf den Wellen geritten, bin für Hummer getaucht, habe Miesmuscheln bei Ebbe gesammelt, bin in der Saison- Kiwis pflücken gegangen für 2 Wochen, habe lange und kurze Wanderungen gemacht oder habe einfach den Tag geschehen lassen.

 

Vicky und ihr Van

Vicky und ihr Van

 

Sozialen Kontakt zu meinen Freunden oder Familie hatte ich recht wenig, da die Zeitverschiebung nach Deutschland, mit 12 Stunden enorm war. Aktuelle Medien konnte und wollte ich nicht permanent verfolgen, da ich als Camper die meiste Zeit nicht mit dem Mobilen Internet verbunden war.

 

Die Weiterreise aus Neuseeland

Meine Weiterreise, nach Vietnam war eigentlich für Ende März 2020 gebucht und somit kehrte ich nach 3 Monaten in Neuseeland, langsam nach Auckland zurück, um zeitnah meinen Camper Van wieder zu verkaufen.

Als ich Anfang März in Auckland ankam, habe ich Johnny (meinen Van) ordentlich aufgehübscht und verkaufsfertig gemacht. In Auckland habe ich Autoflohmärkte besucht, Internet Anzeigen erstellt und Verkaufsanzeigen ausgedruckt, um diese in Hostels auszuhängen.

Jeder dieser Verkaufsversuche war leider ohne Erfolg.

Erste Einschränkungen durch Corona in Neuseeland

Nachdem ich mitbekommen hatte, das COVID-19 so aktiv ist, dass die Einreise neuer Touristen verweigert wird, war mir klar, warum ich meinen Camper Van nicht verkauft bekomme und 2 Wochen später wurden auch meine Flüge nach Asien wegen Corona gecancelt.
COVID-19 war vorerst in Neuseeland kein großes Thema. (stand 12. März 2020- 2 Infizierten in Neuseeland, 2300 in Deutschland).
Großes Glück, dass ich ein Work and Travel Visum vorweisen kann, welches 1 Jahr gültig ist.

 

Stay at home empfiehlt John

Stay at home empfiehlt John

 

Jobsuche während Corona

Ich habe mich so schnell es ging nach einem Job in Auckland für länger umgeschaut, da ich mir unsicher war, wie schnell dieser Virus sich in Neuseeland verbreitet.
Meine erste Bewerbung ging an eine Stellenausschreibung „Post OP Granny- Nanny gesucht – 72-jährige Frau (Susie) nach doppelter Knieprothesen OP mit Dementem Ehemann (John) und Hund (Coco) benötigen häusliche Unterstützung für mindestens 2 Monate“.

 

John, Vicky & Susie (v.l.n.r.)

John, Vicky & Susie (v.l.n.r.)

2 Stunden später habe ich mich mit dem Sohn des Ehepaars getroffen und das Procedere gründlich besprochen.
Am nächsten Tag bin ich eingezogen in mein eigenes Zimmer, worüber ich mich nach 3 Monaten Camping im Van am meisten gefreut habe. Meine neue Gastfamilie hat mich sehr herzlich in das häusliche Umfeld aufgenommen.

 

Die Arbeit als Post OP Granny

Susie, 72 Jahre alt, hat eine Doppelte Knieprothese erhalten und benötigt Unterstützung in den täglichen Aktivitäten ihres Lebens, sowie im Haushalt.
Ihr Ehemann John K., 72 Jahre alt, kann seine geliebte nur begrenzt unterstützen, da er vor 5 Jahren an Demenz erkrankte, welche sich im fortgeschrittenen Stadium befindet.
John ist jedoch körperlich fit und kann größtenteils für sich selbst sorgen.
Das Ehepaar führt eine glückliche Ehe mit 3 Erwachsenen Kinder und 5 Enkelkinder, die immer and ihrer Seite stehen.
Coco, der Kleine 2-jährige Terrier hat einen sehr großen Platz im Herzen der Familie und schenkt dem Ehepaar tägliche Bewegung und Freude.

 

Susie und Vicky am Strand in Auckland

Susie und Vicky am Strand in Auckland

 

Schnell habe ich mich in den Alltag der Kiwi Familie eingefunden.

 

Ein unerwarteter Unfall im Alltag

Was jedoch unerwartet kam, war mein Sturz am 2. Morgen, als ich mit dem Hund spazieren war.
In der steilen Hofeinfahrt zum Haus hin bin ich gestolpert und auf meinen linken Ellenbogen gefallen. Dass ich mir dabei die linke Schulter stark verletzt hatte, machte sich erst am nächsten Morgen bemerkbar.

Mit Bewegungsunfähigkeit und starken Schmerzen in der linken Schulter erwachte ich und fuhr in die Notaufnahme im Krankenhaus. Glücklicherweise betrug die Wartezeit nur 30 Minuten und ich konnte das Wartezimmer, in dem hustende Menschen auf ihr COVID-19 Testergebnis warten verlassen. Eine Krankenschwester stellte sich mir vor und auf einem Stuhl sitzend musste ich spezifische Fragen beantworten, sie überprüfte derweil manuell meine Vitalparameter und tippte dies alles ihren Computer ein.
Eine junge, energische Ärztin trat ein und stellte sich mir vor.
Nach ein paar Bewegungsmustern, die ich mit dem linken Arm nicht ausführen konnte, wurde ich für eine tiefergehende Untersuchung ins Röntgen geschickt.
Die Röntgenabteilung war direkt nebenan und ich wurde bereits als Nächstes dran genommen.
Geröntgt wurde mein linker Ellenbogen und meine linke Schulter in mehreren Ebenen.

 

Die Diagnose für meine Schulter

Die Ärztin wartete bereits in der Notaufnahme auf mich, in die ich zurückkehrte.
Gemeinsam schauten wir uns die Röntgenbilder an und die positive Nachricht für mich war: ,,Frau Köhler die Knochen sind schonmal in Ordnung, jedoch werden sie ihre Schulter noch viele Jahre gebrauchen und wir müssen nun schauen, ob eventuell eine andere Verletzung vorliegt, dazu Überweise ich sie zu einer weiteren Untersuchung, einem Ultraschall“.
Sie gab mir einen Zettel mit einer Rufnummer und eine Überweisung mit und forderte mich auf, dort einen telefonischen Termin für in einer Woche zu vereinbaren. Eine Schlinge, um die Schulter ruhig zu stellen, sollte mir im Alltag helfen und eine Schmerzlinderung verschaffen.

 

Vicky mit Blick auf Tekapo

Vicky mit Blick auf Tekapo

 

Der Lockdown und Schonzeit für meine Schulter

Von hier an war klar, dass ich Schonzeit für meine Schulter benötige und wir befinden uns im COVID -19 Lockdown für 4 Wochen in Neuseeland, was meine Rettung war, denn die Familie konnte sich nicht für jemand neues umschauen.
Ich durfte bleiben und tat weiterhin meine Arbeit, so gut ich mit meiner Schulter halt konnte.
Täglich bewegte ich Susie die Beine durch und danach meine Schulter. Ich ersetzte ihre Beine und sie ersetzte meinen Arm. Wir waren ein eingespieltes Team.
Das Schwierigste an der ganzen Sache war John, der den Sinn der Ausgangssperre trotz der Tageszeitung, einem Whiteboard in der Küche, News im TV, Informationsschildern im Haus wie „Stay at Home“ und „Wash your Hands“, nicht folgen konnte.

Demenz und ihre Folgen

Johns Demenz ist ausgeprägt und sein Kurzzeitgedächtnis sowie seine Merkfähigkeit sind gestört.
Er benötigte zu Beginn der Ausgangssperre eine tägliche Kontrolle seiner Laufwege außer Haus und wir führten täglich dieselben Gespräche. Es gibt Tage an denen John Wohlauf und motiviert ist, aber auch Tage während des Lockdowns, die ihn depressiv verstimmen und an denen er sich zurückzieht. Dass John seine Enkelkinder und Kinder aktuell nicht sehen und um sich haben kann, fällt ihm äußerst schwer und gibt ihm zusätzlich Unsicherheit.
Er freut sich jedoch jedes Mal umso mehr mit seiner Familie zu Facetimen und gemeinsam mit Susie eine kreative Stunde für die Enkelkinder über ein Virtuelles Meeting zu gestalten in der sie das Basteln für spezielle Themen wie Ostern nachholen, da alle Schulen derzeit geschlossen sind.

Vicky auf dem Isthmus Peak

Vicky auf dem Isthmus Peak

 

Die Ultraschalluntersuchung meiner Schulter

Den Termin für die Ultraschalluntersuchung habe ich eine Woche später vereinbart und durfte am selben Tag vorbeikommen. Ein Wartezimmer gab es nicht und ich war die einzige Patientin. Ich musste meine Hände draußen Waschen und vor der Türe warten, während der Arzt das Behandlungszimmer vorbereitete und mich dann über die Balkontüre direkt hereinbat, aufgrund der COVID-19 Situation.
Ein kompetenter junger Arzt hat mich über alles genaustens aufgeklärt und sich sehr viel Zeit für mich genommen. Was mich an der Untersuchung besonders fasziniert hat war, dass das Ultraschallgel sogar für mich angewärmt war.
Fantastische Behandlung und gute Zusammenarbeit. Er erklärte mir ein wenig über das Ergebnis was er sehen konnte, aber aufgrund der bestehenden Schwellung in der Schulter, konnte er keine hundertprozentige Diagnose abliefern.

Weitere Einschränkungen während des Lockdowns

Susies Physiotherapietermine konnten aufgrund des Lockdowns nicht wahrgenommen werden und daher habe ich sie täglich an den zwei Kilometer entfernten Strand gefahren, um auf flacher Ebene Gehtraining und Übungen mit ihr durchzuführen.
Ihre täglichen Fortschritte, wie längere Laufstrecken, Schmerzlinderung, zurückgehende Schwellung waren großartig zu sehen.
Die Wundbehandlung habe ich zu Hause durchgeführt und Fotos an den, in die Behandlung miteinbezogenen Hausarzt versendet. Alle weiteren Rezepte für die nötigen Medikamente wurden per E-Mail an die Apotheke gesendet, die ich alle in ihrem Auftrag dann dort abholen durfte.
Susie ist eine sehr positive und aktive Frau, nie zuvor habe ich einen Menschen nach einer doppelten Knieprothesen Operation im Genesungsprozess begleiten und unterstützen können.

Übungen für meine Schulter und weitere Übungen

Nur 3 Tage nach meinem Ultraschall rief mich die Notaufnahme an, da sie den Bericht von dem Arzt erhalten hatten. Mein weiteres Procedere wie bislang, tägliche Übungen für meine Schulter, aber auch ruhen und kühlen, Medikamenten Einnahme fortsetzen und auf Besserung hoffen in den nächsten zwei Wochen. Sollte keine Besserung eintreffen, sollte ich den Weg in die Notaufnahme nochmal auf mich nehmen.

 

Warum ich in Neuseeland geblieben bin

Mich beunruhigte die ganze Situation nicht, genauso wie die COVID-19 Situation (Stand: 10.04.2020: 2 Tote in Neuseeland – 2600 Tote in Deutschland). Die Rückholaktion in Neuseeland ist mittlerweile beendet, ich hatte mich nicht eingetragen. Ich fühle mich hier in Neuseeland gut aufgehoben und mir ist völlig klar, dass ich in der COVID -19 Krise viel Zeit habe, um alle bisherigen meiner Reise-Erlebnisse zu Sortieren und meine Schulter wieder auf 100 Prozent zu bekommen, um Neuseeland irgendwann in der Zukunft mit meinem 11 Kilogramm schweren Rucksack und einem fröhlichen Gesicht, netten neuen Freunden und einem extra Rucksack voller Erlebnisse und Erfahrungen in welche Richtung auch immer verlassen kann.

 

Kia Kaha

 

Viktoria

 

Über die Gastautorin

Viktoria ist 28 Jahre jung und reist seit einigen Monaten durch die Welt. Ihre Reiseroute ging von Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien über Panama, Mexico, Chile nach Neuseeland. Der ursprüngliche Plan war nach Neuseeland in Richtung Vietnam und der Philippinen aufzubrechen. Diese Reisepläne liegen wegen Corona zurzeit aber auf Eis.

Für mehr zu Viktoria und ihrer Reise, verfolge ihre Abenteuer und Bilder auf Instagram unter dem Namen Reisevicky.

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